Wie lange dauert ein Krieg eigentlich wirklich?


Sylt und Bremen 1940/1941

Bremen war Sitz vieler in die Kriegswirtschaft eingebundener Industriebetriebe: Schiffbau durch Bremer Vulkan, Deschimag - A.G. Weser und Atlas-Werke, Flugzeugbau durch Focke-Wulf und Weser-Flugzeugbau, Fahrzeugbau durch Borgward, Stahlproduktion durch die Norddeutsche Hütte, Öl-Produktion bzw. Lagerung durch Vacuum Oel bzw. Wifo, die Fertigung von Elektromotoren durch Lloyd-Dynamo.

Erste Erfahrungen im Luftkrieg

Im Juli 1940 war Richard Göbel zunächst auf der Insel Sylt stationiert. Er schrieb Briefe unter der Feldpostnummer L03757 und war deshalb vermutlich mit der 3./111 auf Sylt. Laut Harald Voigt befand sich im KTB (Kriegstagebuch) Sylt der Hinweis, dass im  August 1940 zwei Geschütze der 3./111 in der alten Stellung bei den Thinghügeln auf dem Seeflugplatz Sylt stationiert waren.

Am 4. September hielt Hitler im Berliner Sportpalast eine wütende Rede anlässlich der Eröffnung des zweiten Kriegswinterhilfswerkes. Dabei kündigte er an, englische Städte ausradieren zu wollen. Die Luftwaffe begann ihre Angriffe auf englische Städte. Kurz darauf verlegte Richard von Sylt nach Bremen.

Beerdigung englischer Flieger auf Sylt 1940

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In den ersten Monaten des Zweiten Weltkrieges war die Bremer Flakabwehr nicht sonderlich häufig gefordert gewesen. Die Angriffe des Bomber Command blieben meist schon an der Nordseeküste hängen, es kam in einigen Fällen zu Abwürfen von Flugblättern aus großer Höhe „Konfetti-Flüge“. Seit Mai 1940 war Bremen aufgrund seiner Küstenlage von britischen Bombenangriffen regelmäßig heimgesucht worden. Vier Tage bevor die erste Bombe auf Bremen fiel, hatten deutsche Flugzeuge Rotterdam zerstört. Die Gegenwehr war aufgrund der erst schwach besetzten Flakstellungen zunächst schwach.

Im Verlauf des Krieges sollte Bremen 173 Luftangriffe erleben. Da Bremen auch in der Einflugschneise für die Luftangriffe auf das Ruhrgebiet und die Reichshauptstadt lag, war die Stadt besonders gefährdet.  Als wichtige Hafen- und Industriestadt war Bremen während des II. Weltkriegs ein häufig angegriffenes Ziel alliierter Bomber. Neben dem passiven Luftschutz wurden im Großraum Bremen zahlreiche Flakstellungen eingerichtet.

„Das sind die Städte, wo wir unser „Heil!“

Den Weltzerstörern einst entgegenröhrten.

Und unsere Städte sind auch nur Teil

Von all den Städten, welche wir zerstörten“

(Berthold „Bert“ Brecht 1944; Gedichte)

Da die Flakgruppe Bremen zunächst möglichst schnell luftverteidigungsbereit gemacht werden sollte, waren die Geschützstellungen häufig noch sehr provisorisch angelegt. Die schweren Batterien lagen auf freiem Feld, die leichten und mittleren Batterien hatten ihre Geschütze auf Türmen oder Hochbauten. Die ersten Monate waren noch durch die englische Kriegspolitik Neville Chamberlains bestimmt, der der Luftwaffe nur Aufklärungs- und Störfunktion zudachte. Dies änderte sich mit dem Dienstantritt des neuen Premiers Winston Churchill am 15. Mai 1940. Unter seiner Regie begann man beim Bomber Command mit der Planung einer Luftoffensive gegen das Deutsche Reich.  In der Nacht zum 18. Mai 1940, einer sternklaren Nacht mit hellem Mondschein, erfolgte der erste größere Bombenangriff auf Bremen. In jener Nacht wurde die Bremer Bevölkerung durch Flakfeuer um 0:55 aus den Betten gerissen. Ein wesentlichen Fazit dieses Angriffs war, dass die vollmundigen Versprechungen der nationalsozialistischen Propaganda bezüglich des Schutzwertes der Flak nicht eingehalten werden konnten. Die Bomber kreisten zwei Stunden über Stadt und griffen systematisch an. Es gelang der Flak nicht einen einzigen Flieger abzuschiessen. Dazu kam ein chaotisches Verhalten der Bevölkerung. Der Bürgermeister sprach später davon, dass ein Fliegerangriff kein Grund sei „jede Ordnung als aufgelöst zu betrachten.“ Nach den Erfahrungen dieses Luftangriffs wurde die Luftabwehr deutlich verstärkt.  Mitte 1940 verging kein Tag ohne Luftangriff. Dadurch wurde die bodengestützte Flugabwehr deutlich gestärkt. Nach einem weiteren englischen Angriff im September 1940 wurde die Flak im Bremer Raum weiter verstärkt.

8.8cm Geschütz

flak-meer

Im September 1940 erfolgte die Verlegung nach Bremen mit der 3./111. Leider gibt es zur 3./111 nur sehr spärliche Informationen. In der einschlägigen Literatur kommt die Batterie nur kurz vor. Bei Reinhold Thiel wird eine 3./111 (mot.) als Transportbatterie unter einem Oberleutnant Wendik von Mai 1940 bis Juni 1941 in Bremen geführt.

Einsatz der 3./111 vermutlich in Bremen-Huchting und Bremen-Schwachhausen. Im Januar 1941 war Richard Göbel wegen einer Entzündung im linken Ohr im Reservelazarett Bremen-Schwachhausen (St. Joseph Stift). Am 1. März 1941 erfolgte seine Beförderung zum Gefreiten.

In der Nacht vom 8./9. Mai 1941 erfolgte ein Großangriff der RAF mit 359 Flugzeugen, davon flogen 317 in den Raum Hamburg-Bremen ein. Im Jahr 1941 sollten die  deutsche Hafenstädte im nordwestlichen Küstengebiet  die bevorzugten Ziele für Bombenangriffe sein.

Flaksoldaten im Stadtbild

Flakabteilung 11 Königsberg

Am 1. April 1941 schrieb Richard an seine Eltern nach Oberhausen:

Aus meinem Brief, den Ihr wohl als ausführlich bezeichnet habt, ging hervor, dass ich seit Urlaubsende nicht in mehr Huchting bin, sondern mit meinen Geschützkameraden kommandiert bin. Erst war ich im Bremer Norden in einer sehr „bombigen“ Gegend. Seit acht Tagen sind wir in unserer zweiten Stellung, noch weiter Weserabwärts. In Farge, gleich am Strand. Wir verleben hier gewöhnlich herrliche Tage. Der Dienst ist viel lockerer und jeden vierten Tag ist „Bereitschaft,“ wie heute z.B. Da ist dienstfrei und wir können uns erholen. Große Freude macht es uns, den Strom weit abwärts zu kahnen und uns Fische von Booten zu holen, die an verschiedenen Stellen ihre Netze auswerfen. Eben haben wir uns wieder Fische gebraten.

In der 3./111 traf er im Frühjahr 1941 zufälligerweise drei Oberhausener. Aus seinen Briefen im Frühjahr 1941 geht hervor, dass er mit einem Geschütz auf einem Geschäftshaus stationiert war. Das würde auf ein 2 oder 3,7 cm Flakgeschütz hinweisen.

Am 5.Juni wurde Bremen Sitz der 8.Flakdivision. Flakgruppe Süd/Stab Flak-Rgt. 13 (Osterdeich 15) mit Flakuntergruppen in Seebergen, Vahr, Oberweser, Heide und Neuenland. Weiter Flakgruppe Mitte/Flak.Rgt 89 und Flakgruppe Nord/Stab Flak-Rgt. 26.

Am 22. Juni 1941 um 3 Uhr 15, in der kürzesten Nacht des Jahres, griff die Wehrmacht mit drei Heeresgruppen sowie die verbündeten Streitkräfte auf breiter Front die Sowjetunion an. Für die Heimatverteidigung änderte der Angriff auf die Sowjetunion, dass Stammpersonal der Flakbatterien zum Einsatz in Flakkampfverbänden abgezogen wurde. Diese zusätzlichen Anforderungen führten dazu, dass die Flak-Einheiten dem gleichzeitigen Erd- und Luftkampf nicht mehr gewachsen waren. Der dauernde Einsatz führte zu einem ungeheuren Verbrauch an Material und Menschen. Die gut ausgebildeten Flakeinheiten „verbluteten“ praktisch in pausenlosen Erdeinsätzen und müssten zudem für die Luftabwehr in Kampfpausen zur Verfügung stehen. Dies sollte sich in den Folgejahren in der Luftschlacht über Deutschland verheerend auswirken, denn die gut ausgebildeten Flak-Soldaten waren auf den Schlachtfeldern des Ostens verblutet.

Kriegsschiffe im Hafen

kriegsschiffe

Im November 1941 erfolgte Richards Abmarsch nach Nürnberg, vermutlich bereits mit Einheit 3. Res./166, die aus Soldaten der 3./111 gebildet wurde. Aus der 3./ Res. 166 wurde dann im Laufe des Jahres 1942 die 3./634 gebildet. Seine aus Bremer Zeiten zunächst noch gültige Feldpostnummer L03787 gehörte in Nürnberg zumindest bis Februar 1944 zur 6./634.



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