Wie lange dauert ein Krieg eigentlich wirklich?


Das Kriegsende 1918 - Schockzustand

„Das Alte und Morsche, die Monarchie ist zusammengebrochen! Es lebe das Neue! Es lebe die deutsche Republik!“ (Philipp Scheidemann am 9. November 1918 vor dem Berliner Reichstag)

Auf dem Weg in die Republik

Friedrich Ebert, SPD-Vorsitzender und noch keine 50 Jahre alt, wurde am 9. November 1918 zum Kopf des politischen Schicksal Deutschlands. Der Sohn eines Schneidermeisters hatte zu den Zeiten der Bismarck’schen Sozialistengesetze begonnen für die Sozialdemokratie zu arbeiten. Der vaterlandsliebende und seiner Partei loyal verpflichtete Ebert, war im Grunde der klassische Mann der Mitte ohne große eigene Visionen zu vertreten. Ebert wünschte, wie viele andere führende Sozialdemokraten, im Grunde eine weitgehende Kontinuität, also eine Rettung der Monarchie, möglicherweise als konstitutionelle Monarchie nach dem Vorbild Englands. Noch am Abend des 9. November rief er die Bürger zu Ruhe und Besonnenheit auf. Es waren zufällige Entscheidungen unter höchstem Zeitdruck, die Ebert in die Regierungsverantwortung gebracht hatten. Der Sozialdemokrat übernahm in einer überaus gefährlichen Situation Verantwortung. Es war der rasante Lauf der Dinge, der schnelles Handeln notwendig machte, damit die Revolutionsbereiten um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg nicht die Oberhand gewinnen konnten. Insbesondere in der Reichshauptstadt Berlin und in Bayern lag schon der Geruch von Revolution in der Luft. Extreme Linke, Kommunisten und Spartakisten, glaubten fest daran, die Revolution nach russischem Muster im Deutschen Reich durchsetzen zu können. Ebert seinerseits war fest entschlossen, sich unter keinen Umständen diesem gefährlichen Druck der zu beugen.

Vor Eberts Antritt, war Kaiser Wilhelm II. förmlich aus seiner Position herausgezwungen worden. Seine Abdankung war die zentralste Forderung des US-Präsidenten Woodrow Wilson für offizielle Waffenstillstandsverhandlungen gewesen. Erst mit der erzwungenen Abdankung und der anschliessenden Flucht ins niederländische Exil, konnte das  Deutsche Reich mit den Alliierten verhandeln.

„In Wahrheit ist das deutsche Volk mit Begeisterung in diesen Krieg gegangen, als es glaubte, daß er ihm aufgezwungen sei, und hat geglaubt, daß es Siegen und Europa im deutschen Zeichen organisieren werde. Der heroische Kampf, (…) ist durch furchtbare militärische und politische Fehler und durch die für solchen Kampf tief untaugliche deutsche Geistigkeit verloren gegangen und endigt mit einer nie gesehenen Katastrophe.“

(Thomas Mann am 12. November 1918)

Während die Lage innenpolitisch nach der erzwungenen Abdankung des Kaisers auf fragilem Fundament stand, hatte Friedrich Ebert bereits am 10. November grünes Licht für die endgültige Unterzeichnung des Waffenstillstandes gegeben. Am 11. November vermerkte der Heeresbericht lakonisch: „Infolge Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages wurden heute Vormittag an allen Fronten die Feindseligkeiten eingestellt.“ Der Erste Weltkrieg war beendet, seine Bilanz sprengte alle bis dahin bekannten Dimensionen. 15 Millionen Menschen hatten ihr Leben verloren, 9 Mio. Soldaten und 6 Millionen Zivilisten, mehr als 20 Mio. Soldaten waren verwundet worden.

General Anzeiger Oberhausen vom 8. November 1918

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Der Oberhausener General Anzeiger beschrieb die Lage am 12. November: „Die Waffenstillstandsbedingungen sind angenommen. Wir konnten nicht anders! Dabei sind es die nahezu die nämlichen, die auch Oesterreich-Ungarn auferlegt waren, und die wir als eine Schmach für dieses Land bezeichneten. Nun müßten wir uns selbst belügen, wenn wir die Bedingungen, die uns aufgezwungen wurden, anders nennen wollten! Aber wir müssen uns damit abfinden und Sorge tragen, daß schnell, sehr schnell ein Friede zustande kommt, der uns das Drückendste wieder abnimmt, wenn wir auch damit rechnen müssen, daß deutsche Gebietsteile auch weiterhin besetzt bleiben, bis die Entschädigungen von Deutschland bezahlt sind. (…) Die Rolle, die der deutsche Kaiser in den letzten Tagen spielte, ist, wir müssen dies offen heraussagen, nicht gerade rühmlich gewesen. Daß er sich zur Abdankung zwingen ließ, war schon verderblich, daß er nach Holland floh (…) ist kein Vertrauensbeweis für das deutsche Volk. (…) Sehr wesentlich für die innere Lage und für die Demobilisierung ist es, daß das Große Hauptquartier sich gleichfalls nebst dem Generalstab dem A. und S.-Rat unterstellt hat und daß auch an der Front A. und S.-Räte gebildet sind.“[3]

Mitte November fiel in Osterfeld der erste Schnee. Wie in allen Städten und Gemeinden wartete man auf die Rückkehr der Soldaten. Begrüßungsausschüße wurden gebildet und die Häuser mit Girlanden geschmückt. Ein Journalist des Oberhausener Generalanzeiger weiß am 16. November vom Bahnhof zu berichten: „Dann wieder rollt ein Zug mit heimkehrenden deutschen Kriegern aus dem Westen heran. Nicht nur Abteile sind überfüllt, auch die Trittbretter und selbst die Dächer der Wagen sind mit Soldaten besetzt. (…) Auf allen Gesichtern glänzt die Freude, dass endlich das wahnwitige Morden zu Ende ist und dass es wieder zu den Lieben in die Heimat geht.“[4]

Zeitungsanzeige General Anzeiger Oberhausen Januar 1919

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Für die Menschen ging es in den ersten Wochen und Monaten nach Kriegsende einzig um die Frage des Überlebens. Selbst die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln mußte in Oberhausen, wie anderswo auch im Reich, hart organisiert werden. Die GHH begann auf Anweisung ihres in Oberhausen weilenden Generaldirektors Paul Reusch bereits vom 9. bis 12. November 1918 mit der Umstellung von der Kriegs- auf Friedenswirtschaft. Zwangsarbeiter wurden sofort entlassen, auch Frauen und jugendlichen Arbeitern wurde gekündigt. Noch bevor sich revolutionäre Arbeiter- und Soldatenräte bilden konnten, kümmerte sich Paul Reusch um die provisorische Entwaffnung der Arbeiterschaft in den GHH Betrieben. Die Militärbehörden in Münster forderte er auf, den Wachmannschaften in den Kriegsgefangenenlagern die Waffen abzunehmen.[5]

Richard Göbel war bei Ende des Krieges 5 Jahre alt, seinen Vater Heinrich kannte er bis dato nur aus Erzählungen und über die Feldpostbriefchen, die seine Mutter ihm vorlas. Heinrich Göbel war mit dem Landwehr Infanterie Regiment 9 als einfacher Soldat Anfang August 1914 in den Krieg gezogen. Er verbrachte die folgenden vier Jahre zunächst infanteristisch, später (vermutlich ab 1916) als Stabssoldat in der Heeresverwaltung Ost, wahrscheinlich in Wilna. Er kehrte er erst Anfang 1919 aus dem Krieg in seine Heimatstadt Osterfeld zurück.

[1] Stadtarchiv Oberhausen; General Anzeiger vom 12. November 1918; „Die Lage“

[2] Zitiert in Magnus Dellwig, Peter Langer; Oberhausen eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet; Band 2; Seite 37

[3] Stadtarchiv Oberhausen; General Anzeiger vom 12. November 1918; „Die Lage“

[4] Zitiert in Magnus Dellwig, Peter Langer; Oberhausen eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet; Band 2; Seite 37

[5] Dr. Peter Langer; Macht und Verantwortung – Der Ruhrbaron Paul Reusch; Seite 158

 



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