Wie lange dauert ein Krieg eigentlich wirklich?


Mit einer Kompanie der Festungs-PAK in Berlin

„Während am Hermannsplatz in Neukölln eine Einheit der Hitlerjugend und französische Freiwillige der Waffen-SS das Kaufhaus Karstadt verlustreich verteidigten, erhielt unser Stab des Festungs-PAK Verbandes am frühen Abend Befehl, den Gefechtsstand in den Tiefbunker des OKH am Fehrbelliner Platz zu verlegen. In rasender Fahrt, unter heftigem Artilleriefeuer verließen wir mit unseren Fahrzeugen Tempelhof. Auf der Gneisenaustraße kurvten wir um Trümmer, Granattrichter und herabhängende Straßenoberleitungen. Unter den Bahnüberführungen in der Yorkstraße parkten Fahrzeuge der Panzerdivision Müncheberg." (Lothar Loewe an den Verfasser 2005)

Die Festungs-PAK Ausbildungs- und Ersatz Einheit 101

„Kurz gesagt ist es doch so, dass einer, der für sein Haus keinen Erben hat, sich am besten mit allem, was darin ist, verbrennen läßt – wie auf einem großartigen Scheiterhaufen“

(Adolf Hitler)

Festungs PAK Einheiten in den letzten Kriegsmonaten sind ein sehr komplexes Themenfeld. In den Suchbildunterlagen des DRK (veröffentlicht direkt in den Jahren nach dem Krieg) gibt es mehrere tausend vermisste Soldaten aus Festungs-PAK Einheiten (Band AX). Die letzten Einsatzorte der Einheiten sind nicht immer klar. Oftmals stammten letzte Meldungen an die Familien daheim aus größeren Städten z.B. Dresden, Berlin oder Löbau, bevor die Einheiten an der Ostfront in den Kampf geworfen wurden und dort im Kampf gegen die Rote Armee aufgerieben wurden.

Im Internet ist in einschlägigen Foren o.ä. wenig bis gar nichts über Festungs-PAK Einheiten zu finden. Meist sind es Nachkommen, die anhand von Familienunterlagen auf einschlägigen Webseiten um Hilfe suchen. Ich habe die für meine Suche, mit Schwerpunkt Berlin, verschiedene Quellen und Informationen versucht zu ordnen, zu verknüpfen und herauszufiltern.  In Berlin kamen nur einige Festungs-PAK Einheiten zum Einsatz. Wie an anderer Stelle beschrieben, war dies auch militärisch logisch, da die Schlacht um Berlin im Grunde militärisch an der Oder entscheiden werden mußte, nicht im Häuserkampf der Reichshauptstadt.

Richard Göbel wurde Anfang 1945 zur Festungs-PAK Ausbildungs- und Ersatzeinheit 101 versetzt. Die Einheit war in Fallingbostel/Munster in der Lüneburger Heide aufgestellt worden. Aus der 101 wurden zig-verschiedene Kompanien aufgestellt und an die Fronten im Osten verlegt (Küstrin, Cottbus, Landsberg/Warthe etc.). Richard war nur einer von wenigen Tausend Wehrmachtssoldaten, die direkt in Berlin eingesetzt werden sollten!  Mit welcher Festungs-PAK Kompanie er nach Berlin kam, ist für mich noch immer nicht völlig klar. Vermutlich mit der 3. Kompanie – Einer der Züge dieser Festungs-PAK Kompanie war der Zug „Spernat“. Die Soldaten bezogen zunächst Quartier in der Heereswaffenmeisterschule in Berlin-Treptow. Höchstwahrscheinlich um Waffen und Ausrüstung in Empfang zu nehmen.

Heereswaffenmeisterschule Berlin Treptow

heereswaffen8

Die Festungs-PAK Einheit „Spernat“, war eine jener typischen Namenseinheiten, die in den letzten Kriegswochen zusammengestellt wurde. Im März 1945 bezog sie schließlich Stellung im Raum Britz/Buckow, möglicherweise in einer Gärtnerei Bredow. Hier im Berliner Südwesten sollten die Soldaten mit ihren 8.8 cm – auf Erdkampf umgerüsteten – Flakgeschützen, Berlin gegen die Rote Armee verteidigen. In ihrem Rücken lagen der Landwehrkanal und der Flugplatz Tempelhof.

Im Rahmen der geschaffenen Verteidigungsbereiche waren an vielen Punkten Abwehrstellungen entlang des äußeren Verteidigungsringes gebildet worden sein. Der Verteidigungsbereich Berlin war in mehrere Abschnitte eingeteilt. Jeder Abschnitt war Sitz eines Festungsregimentstabes, sowie zugeordneten Einheiten aus Volkssturm, Festungs-PAK, Alarmeinheiten etc.

Karl Spernat (1913 - 1992)

karl-spernat

In den Richtlinien für die Verteidigung Berlins von General Reymann vom 9. März 1945, finden sich einige interessante Informationen über die Panzerbekämpfung. Die Richtlinien waren in die Punkte A bis E unterteilt. Unter Punkt C (Waffengattungen) der Grundsätze zur Verteidigung Berlins, werden u.a. das Zusammenwirken der Panzerbekämpfungsverbände mit anderen Einheiten beschrieben. Dazu heißt es: „Feindliche Panzerangriffe sind geländemäßig in erster Linie im Ostteil des Vert. B.B. [Verteidigungsbereiches Berlin] zu erwarten. Dies bedingt schwerpunktmäßigen Einsatz der panzerbrechenden Waffen in den Abschnitten H,A,B,C und D“.

Zum Einsatz der panzerbrechenden Waffen heißt es in dem Befehl, dass dieser „in der HKL [Hauptkampflinie], und vor allem in der Tiefe der HKL, so zu erfolgen, daß unter größtmöglicher Ausnutzung der Wirkungsmöglichkeiten und gegenseitiger Ergänzung und Flankierung aller panzerbrechender Waffen feindl. Panzerdurchbrüche in das Zentrum der Reichshauptstadt verhindert werden. Darüber hinaus sind die übrigen Flak- und Heeres-Batterien zur Verdichtung des Panzerabwehrplanes so in Stellung zu bringen, daß sie durchgebrochene Panzer im direkten Schuß vernichten können. Die Stellungen der Flak-Kampftrupps, der Festungspak, eingebauter Panzer sowie Flak- und Artilleriestellung sind stützpunktartig zur Rundumverteidigung auszubauen.“

Die Unterstellung der Festungspak und ortsfesten Schadanzer erfolgte taktisch beim zuständigen Abschnittskommandeur. Die Versorgung der Festungspak und ortsfesten Panzer hatte ebenfalls durch den zuständigen Abschnittskommandeur zu erfolgen.

Zur Panzernahbekämpfung heißt es in der Richtlinie: “Hauptträger der Panzerbekämpfung ist der Panzernahkämpfer. Ihn zeichnen Draufgängertum, Kaltblütigkeit, Mut und der unbeugsame Wille zur Panzervernichtung aus. Deshalb: Die Panzerfaust gehört in erster Linie in die Hände von Freiwilligen!“. Diese sollten in Panzernahkampftrupps zusammengefaßt werden und in unübersichtlichen Laubengelände und im bebauten Stadtgebiet unter größtmöglicher Ausnutzung von Häusern, Ruinen, Kellen, Dächern, Hecken, Mauern und Panzersperren eingesetzt werden. Der Kampf sollte im Einklang mit den schweren panzerbrechenden Waffen erfolgen. Neben der Panzernahbekämpfung sollte es eine bewegliche Panzerabwehrreserve geben. Dazu heißt es im Befehl:“Sollte es dem Feinde trotz der vielen Panzersperren und Hindernisse und der eingesetzten Panzernahkampftrupps und schweren panzerbechenden Waffen gelingen, feindliche Panzereinbrüche in der HKL zu erzielen, so sind die Feindpanzer durch bewegliche Panzerabwehrreserven der Abschnitte anzugreifen und zu vernichten. Hierzu sind vor jedem Abschnitt beschleunigt Panzerjagdkommandos (je Abschnitt mindestens 8 in Stärke 1:6) aufzustellen und behelfsmäßig beweglich (Fahrrad, Krad, Lieferwagen usw.) zu machen. Ferner sollte darauf geachtet werden, dass durch ständige Ausbildung gewährleistet sein müsse, dass alle Dienstgrade mit der Panzerfaust zu einem vollwertigen Panzernahkämpfer auszubilden.[1]

[1] Reymann Befehl aus „Der Todeskampf der Reichshauptstadt“ Seiten 34 und 35

Paul Krischkowski (1923 - 1945)

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Über die Vermißtenmeldung von Paul Krischkowski (Jahrgang 1923) im Archiv des DRK München, konnte ich die Einheit „Spernat“ zuordnen. Über meine Website meldete sich seine Nichte bei mir, die zum einen noch zwei Briefe ihres Onkels vor der Abfahrt aus Fallingbostel hatte und zum anderen den Brief seines Kameraden H. Klein, der als Spätheimkehrer aus sowj. Gefangenschaft im Jahr 1950 an die Angehörigen geschrieben hatte.

Demnach war die Einheit “Spernat” ein Zug der 3. Kompanie der Festungs PAK Ausbildungs- und Ersatz Einheit 101 und “Spernat” nicht der Name des Kompanieführers (Offiziers), sondern des Zugführers. Dieser Schluss hat bei mir mehrere Jahre gebraucht und wird gestützt durch die Erkenntnisse aus dem DRK Archiv. Dort sind auf einigen Vermißtenkarten folgende Bezeichungen zu finden: 5. Kompanie Einheit xyz oder 2. Kompanie Einheit abc. Ferner war Karl Spernat nicht Offizier, sondern Hauptfeldwebel. Ob die gesamte 3. Kompanie in Berlin war ist mir bisher nicht bekannt.

Der Zug “Spernat” wurde nach der Verlegung nach Berlin (und den ruhigen Tagen im Februar und März) am 23.4. in Britz-Buckow in schwere Kämpfe mit russ. Infanterie verwickelt. Um der kompletten Vernichtung zu entgehen, wichen die Angehörigen der Einheit schliesslich in Richtung Flughafen Tempelhof aus. Von dort ging es infanteristisch weiter in Richtung S-Bhf Marienfelde. Paul Krischkowski ist demnach am 25.4.1945 am S-Bahnhof Marienfelde verschwunden, nur wenige km süd-westlich des Flughafens Tempelhof. Es kann gut möglich sein, dass Teile der Einheit Spernat in Tempelhof bereits in Gefangenschaft gerieten und ein anderer Teil der Gruppe in Richtung Innenstadt weiterzog. Geführt wurde die Festungs-PAK Kompanie anscheinend von einem “fanatischen” Leutnant.

Suchanzeige nach dem Krieg nach Festungs-PAK Angehörigem

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Auch den Sohn von Karl Spernat, Günter Spernat, konnte ich ausfindig machen. Von ihm wurden mir ein paar Bilder übermittelt. Auf einem der Bilder ist Karl Spernat zu sehen, auf der Rückseite steht: „Zum Andenken an ihre Britzer Tage im April 1945 -Wally Bredow“. Leider ist der Kontakt zu Günter Spernat aus unerklärlichen Gründen in der Folge abgerissen.

Hier finden Sie einen Link zu namentlich erwähnten vermissten Soldaten von Volkssturm und Festungs-PAK in Berlin.

Ich suche:

  • Alles um die Kämpfe in den Verteidigungsabschnitten C und D in Berlin 1945
  • Informationen zu Festungsregimentern in Berlin
  • Festungs-PAK Einheiten im Allgemeinen
  • Bitte melden Sie sich bei mir, wenn Sie in Nachlässen Fotos, Tagebücher oder Feldpostbriefe finden, die Bezüge zu den Kämpfen um Berlin haben


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