Wie lange dauert ein Krieg eigentlich wirklich?


Britz und Buckow ...

...lagen genau in der Stoßrichtung der 8. Gardearmee des General Tschuikow, dem Helden von Stalingrad. Seine Einheiten waren auf geradem Weg in Richtung Flughafen Tempelhof. Über den Teltow-Kanal kamen sie ihrem Ziel in den Morgenstunden des 26. April sehr nah.

Die Einheit ``Spernat`` gibt ihre Geschütze in Buckow auf und flieht Richtung Flughafen Tempelhof

Der Angriff (Nachtausgabe) vom 26. April 1945

der-angriff-26-april

Auf Seiten der Roten Armee waren drei Großverbände am Angriff auf Berlin beteiligt:

1. Weissrussische Front (General Shukow)
2. Weissrussische Front (General Rokossowski)
1. Ukrainische Front (General Konew)

Während sich die russischen Angriffswalzen der drei Fronten zangenförmig auf Berlin zubewegten, sammelten sich im Osten und Süden der Stadt Wehrmachtseinheiten, die mehr oder weniger geordnet mit ihren verblieben Resten von den Seelower Höhen zurückströmten. So sammelte sich z.B. das LVI Panzerkorps (General Weidling), das im wesentlichen noch aus der Panzerdivision Müncheberg (General Mummert) bestand, in Tempelhof.

Einer der erfahrendsten und bekanntesten Generäle in Shukows 1. Weissrussischer Front war General Tschuikow, Held von Stalingrad und Kommandeur der 8. Gardearmee. Tschuikows Einheiten bildeten den Stoßkeil über Buckow und Britz im Berliner Süden genau auf den Flugplatz Tempelhof zu. Die Stellungen in Buckow wurden schlichtweg überrannt. Die Grabsteine auf dem Neuköllner Friedhof „Koppelweg“ als auch auf dem Dorffriedhof „Buckow“ beheimaten viele Grabsteine mit Todesdatum 23.4.1945.

In seinen Memoiren, Gardisten auf dem Weg nach Berlin, schrieb Tschuikow: „Am 24. April setzten wir unseren Angriff fort und warfen den Gegner in die Stadtmitte zurück. Die Einheiten des XXVIII. Schützenkorps (Ryschow) hatten sich mit der 3. Gardepanzerarmee [Rybalko] der 1. Ukrainischen Front [Konew] vereinigt und waren bei Dunkelheit bis zum Teltow-Kanal vorgedrungen. (…) Die Kampfformationen meiner Armee [8. Gardearmee] wurden in Sturmbataillone und Abteilungen aufgegliedert; sie bekamen Panzer, Granatwerfer- und Pioniereinheiten sowie Geschütze aller Kaliber zugeteilt. Dort, wo sie Wasserhindernisse zu überwinden hatten, wurden Sturmeinheiten Übersetzmittel zugewiesen.“

Sei mir gnädig, Gott, sei mir gnädig;

Denn auf dich trauet meine Seele,

und unter dem Schatten Deiner Flügel

habe ich Zuflucht, bis dass das Unglück vorüber gehe

(Psalm 57,2)

In der Nacht zum 26. April bezog die Panzerdivision Müncheberg am Nordwestrand des Flugplatzes Tempelhof für einen Gegenangriff Stellung. Im Morgengrauen des 26. April erfolgte entlang des Mariendorfer- und des Tempelhofer Damms der Gegenangriff mit ca. 10 – 12 Panzern.[1] Doch schnell gerieten die Soldaten und Panzer in schweres Abwehrfeuer der Russen und der Angriff lief sich nach kleinen Anfangserfolgen schließlich in der Nähe des Ullsteingebäudes fest. Alle Panzer gingen infolge von technischen Defekten und Treffereinwirkung verloren. Die Panzergrenadiere der Division, Reste der Heeresfeuerwerkerschule Lichtenfelde und Reste des Volkssturms und der Hitlerjugend, die am Teltower Kanal und an der Sarotti-Fabrik gekämpft hatten, zogen sich endgültig zurück. In den Morgenstunden des 26. April rollten russ. Panzer von Süden her auf das Tempelhofer Feld. Dort trafen sie in den folgenden 24 Stunden nun auf die letzten Verteidiger des Flughafens. Von der Charlemagne, Gefechtsstand Rathaus Neukölln, war eine Kompanie dem Abschnittskommandanten von „D“ (Tempelhof) unterstellt worden. Diese bezogen am Abend des 26. April eine Verteidigungsstellung längs des Flughafens, zwischen Flughafengebäude und einem kleinen Friedhof. „Vor einer etwa ein Meter hohen Mauer werden sie auseinandergezogen und beginnen damit, das Schußfeld festzulegen. In Tempelhof steht nur noch ein einziges Flugzeug. Am Rande des Geländes, auf einem Erdhügel, haben Maschinengewehrschützen Stellung bezogen.(…) Niemand weiß genau, von wo aus die Sowjets angreifen werden. (…) Von einem planmäßigen Angriff der Sowjets ist noch nichts zu spüren, obwohl eine nicht zu bestimmende Unsicherheit in der Luft liegt.“

Bis zum Mittag des 26. April war der Flugplatz Tempelhof unter sowjetischer Kontrolle. Auch an anderen Punkten der Stadt kam die Rote Armee schnell vorwärts

[1] Jürgen Wilhelm in Wolfgang Venghaus Seite 437

Übergänge Teltowkanal südlich Flughafen Tempelhof

teltowkanal

Um den Flugplatz Tempelhof entbrannten am Vormittag des 25.April schwere Kämpfe. Die Verteidigung des Flugplatzes wurde durch die Flughafenflak, infanteristisch geschultes Flughafenpersonal, eine Panzerjägereinheit der Hitlerjugend, sowie dem Hauptteil der Panzerdivision Müncheberg organisiert. Über die Ufer des südlich vom Flugfeld liegenden Teltowkanal drängten die Einheiten der Roten Armee von zwei Richtungen, Neukölln/Britz sowie entlang der Staatsstraße 96 (Mariendorfer Damm)), gegen das Flugfeld und den Flughafen vor. Hauptpunkt der örtlichen Verteidigung war wohl die Stubenrauchbrücke (Übergang des Mariendorfer Damms über den Teltowkanal). Die finale Attacke auf das Flugfeld am 25. April wurde schließlich vom 28. Gardeschützenkorps des Generals Ryshow (Teil der 8. Gardearmee Tschuikows) geführt. Weiter östlich des Hauptangriffkeils auf das Flugfeld griff noch das 29. Gardeschützenkorps (Generalleutnant Schemenkow), das ebenfalls zur 8. Gardearmee Tschuikows gehörte, an. Im Verlauf des Tages gelang den Russen zwar, das Rollfeld in Besitz zu nehmen, aber sonst hielt die Verteidigung.

Aus Sicht Tschuikows verlief der Angriff zum Flughafen Tempelhof, wie schon beschrieben, über den Mariendorfer Damm, der die Nahtstelle der Verteidigungsbereiche „C“ und „D“ bildete. Etappenziel war der Teltowkanal, südlich des Flughafens Tempelhof. Als erstes erreichte eine Sturmabteilung der 39. Gardeschützendivision [des 28. Gardeschützenkorps (Ryschow)) unter Oberst Jefim Timofeewitsch Martschenko] das Ufer des Kanals. Zur 39. Gardeschützendivision gehörten das 120., das 117. und das 112. Gardeschützenregiment. Alle diese Einheiten werden später auch die ersten Truppen sein, die den Zoo-Bunker in der Innenstadt erreichen.

Viele Brände hatten dazu geführt, dass das andere Ufer für die Soldaten nicht mehr zu erkennen war. Da die Stubenrauchbrücke über den Kanal gesprengt war, mußten die Soldaten den Kanal über die Trümmer und Eisenträger der zerstörten Brücke überqueren. Auf der anderen Seite angekommen, nahmen sie das mehrstöckige Gebäude des Ullsteinhaus in Besitz.[1] In der Morgendämmerung des 25.April begannen die Truppenkörper der 8. Gardearmee Tschuikows im Zusammenwirken mit Teilen der 1. Gardepanzerarmee Katukows den Übergang des Teltowkanals, um den Flughafen Tempelhof zu erobern. Tschuikow: “Auf dem linken Flügel erreichte das 28. Gardeschützenkorps, den Teltowkanal, nachdem es zuvor die Ortsteile Britz, Buckow und Rudow eingenommen hatte.  Das 29. Gardeschützenkorps säuberte den Flugplatz und Johannisthal vom Gegner. “ Am Teltowkanal trafen Tschuikows Einheiten auf Soldaten Konew’s 1. Ukrainischer Front.[2]

[1] Tschuikow – Gardisten auf dem Weg nach Berlin; Seite 443

[2] Tschuikow – Gardisten auf dem Weg nach Berlin; Seite 433

Flughafen Tempelhof

tempelhof

Interessant sind in dem Zusammenhang die einzig mir bekannten Berichte eines Festungsbataillons. Der Zeitzeugenbericht geht auf  Oberstleutnant Wolfgang Skorning zurück, der über den Einsatz der Heeres-Feuerwerkerschule (HFS) im Endkampf um die Reichshauptstadt, eine anschauliche Schilderung niedergelegt hat. Skorning war ab Anfang Februar 1945 Kommandeur des 2. Festungsbataillons, dass zum übergeordneten Festungs-Regiment 60 gehörte. Das Festungs-Regiment 60 unterstand dem Abschnittskommandeur „D“ des Verteidigungsbereichs Berlin, einem Generalmajor der Luftwaffe mit Namen Schreder. Der Divisions Gefechtsstand befand sich im Flughafengebäude von Tempelhof. Der Ausbau der Stellungen lag in Buckow-West, im Verteidigungsabschnitt „D“, also direkt angrenzend an Richards Einsatzgebiet im Verteidigungsabschnitt „C“ (Buckow-Ost/Britz). Skorning: „Im Januar 1945 (…) wurde aus der Heeres-Feuerwerkerschule Berlin Lichterfelde ein Alarm-Bataillon (vier Infanterie-Kompanien und eine Batterie) aufgestellt. (…) Im Kampf um Berlin wurde das Bataillon (…) im März 1945 zum Ausbau einer Verteidigungsstellung in den Raum Buckow-West – Lichtenrade – Marienfelde befohlen. (…) Nach der Feindberührung verteidigte das Bataillon dann den Abschnitt zwischen Buckow-West mit dem jetzigen S-Bahnhof Buckower Chaussee. Während den Sowjets am 21.4.1945 der Durchstoß über die Reichsstraße 101 gelang, wurde der eigene Abschnitt mit der wichtigen Reichsstraße 96 [Mariendorfer Damm] gehalten, die Panzersperren rechtzeitig geschlossen und mehrere russische Vorstöße aufgefangen. Erst am 23. oder 24.4.1945 befahl das Regiment ein Absetzen auf die Teltowkanal-Stellung, da nur noch zwei Brücken hinter dem Bataillonsabschnitt in eigener Hand waren – an einer Brücke standen bereits feindliche Panzer – und die Gefahr einer Abschnürung bestand. Am 25. April wurde der Südostrand des Flughafens Tempelhofer Feld verteidigt. Dort fiel der Bataillons-Kommandeur durch Verwundung aus. Besonders schwere Verluste erlitt das Bataillon bei der Verteidigung des Tempelhofer Feldes. Als ein russischer Panzerangriff von Norden her über das Flugfeld abgeschlagen wurde, belegte der Gegner die Stellungen des Bataillons mit Artilleriefeuer, so daß schwerste Verluste eintraten.“[1]

[1] Wolfgang Venghaus; Kampf um Berlin;  Seiten 337/338

In Tempelhof vereinigten bzw. vermischten sich nun Wehrmachtseinheiten der Panzerdivision „Müncheberg“, mit den Panzerjagdkommandos der Hitlerjugend, Festungs-PAK Soldaten, den Alarmeinheiten, den Flakkampftrupps und der Flughafenflak. Deutsche Einheiten strömten zurück Richtung Stadtzentrum, während die Rote Armee den Flughafen bis zum nachmittag des 26. April unter ihre Kontrolle brachte.

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