Wie lange dauert ein Krieg eigentlich wirklich?


Bekennende Kirche

„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“ (Martin Niemöller)

In der Bekennenden Kirche (BK) sammelten sich evangl. Christen während des Nationalsozialismus

„Herr, unser Gott, es herrschen wohl andere Herren über uns denn Du;

Aber wir gedenken doch allein dein und deines Namen“.

(Jesaja 26,13)

Gegenüber den Kirchen schien die nationalsozialistische Gleichschaltungsstrategie, die in anderen gesellschaftlichen Bereichen gut funktioniert hatte (Parteien, Gewerkschaften etc.), ebenfalls zunächst aufzugehen. Schon kurz nach der Machtergreifung hatten die Nationalsozialisten versucht, die evangelische Kirche kirchenpolitisch und weltanschaulich gleichzuschalten. Die Einbeziehung des für nationalsozialistische Ideen anfälligen Protestantismus in eine nationale Revolution wurde über die Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ versucht. Der kurzfristige Aufstieg der Deutschen Christen schien die Unterwanderung und Kapitulation der Evangelischen Kirche zu besiegeln. Neben den Deutschen Christen gab es freilich auch viele Protestanten, die den Nationalsozialismus als Träger einer nationalen Erneuerung begrüßten, die völlige Gleichschaltung der Evangelischen Kirche mit dem Nationalsozialismus aber entschieden ablehnten. Aus ihrer Mitte und einer größeren Anzahl grundsätzlicher Gegner des Nationalsozialismus entstand die Bekennende Kirche (BK). Der Abschluß des Konkordats mit dem Vatikan im Juli 1933 führte auch den Katholizismus in Deutschland bestürzend schnell an den Abgrund. Im Herbst 1933 folgte ein erster Wendepunkt in der Haltung der Kirchen. Die Sammlung bekenntnistreuer Protestanten in einer „Bekennenden Kirche“ und die sich versteifende Kritik der katholischen Bischöfe führten den Nationalsozialismus auf Widerstand.

Gedenkplatte Friedrich Werdersches Gemeindehaus - Berlin

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Adolf Hitler wollte die gesamte Evangelische Kirche 1933 über die Eroberung der größten Landeskirche, die der Altpreußischen Union, unterwandern. Darum wurde innerhalb Preußens – auch gerade in späteren Jahren – der Kampf mit besonderer Härte geführt. Der Einsatz aller Machtmittel (Partei, Gestapo, Sondergerichte, Presse- und Verleumdungskampagnen) war den nationalsozialistischen Machthabern dazu recht. Dieser Einsatz führte zu einer immer stärkeren Lähmung des Widerstandes. Am 25. Juni 1933 erschien ein dünnes Heft mit 40 Seiten, dass umso mehr verbalen Sprengstoff enthielt. Herausgeber war Karl Barth, der einflussreiche theologische Lehrer im Kampf um die deutsche Evangelische Bekenntniskirche. Der akademische Titel „Theologische Existenz heute!“ deutete auf eine wissenschaftliche Arbeit hin, die es nicht war. Es war eine offene und schonungslose Kritik an dem, was über die Evangelische Kirche hereingebrochen war. Mit dem Aufsatz „Not und Verheißung der christlichen Verkündigung“ eröffnete Barth die 1. Nummer im Juni 1933. „Das Entscheidende, was ich heute zu diesen Sorgen und Problemen zu sagen versuche, (…) besteht einfach darin, dass ich mich bemühe, hier in Bonn mit meinen Studenten (…) nach wie vor und als wäre nichts geschehen – vielleicht in leise erhöhtem Ton, aber ohne direkte Bezugnahme -Theologie und nur Theologie zu treiben.“ Mit schneidender Schärfe wandte sich Barth gegen jedes Führerprinzip: „Das Führungsprinzip ist barer Unsinn. Wer etwas anderes sagt, der weiß nicht, wovon er redet.“ Zu der Auseinandersetzung mit den Deutschen Christen merkt er an: „Von einer Diskussion mit ihren Wortführern erwarte ich schon gar nichts. (…) Wer sich in der Theologie auch nur ein wenig auskennt, weiß, daß wir es in ihrer Lehre mit Ausnahme weniger Originalitäten doch nur – ich bediene mich einer glücklichen Formulierung, die nicht von mir stammt – mit einer kleinen Sammlung von Prachtstücken aus dem großen theologischen Mülleimer des jetzt so viel gescholtenen 18. und 19. Jahrhunderts zu tun haben.“[1]

Mit dem Aufsatz in diesem ersten „Band“ wurde bei vielen Theologen die dieses lasen plötzlich ein Denkprozess in Gang gesetzt der in der Folge nicht mehr aufzuhalten war. „Theologische Existenz heute!“ entwickelte sich zum Sprachrohr der Bekennenden Kirche und war durch viele wichtige Beiträge für die Selbstfindung vieler junger Theologen ein wichtiger Baustein. Im Lauf von zwei Jahren erschienen 22 Nummern dieser Schriftenreihe.[2]

Richard Göbels Bibel aus Studentenzeiten

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Die Gestapo notierte am 4. Juni 1934 in einer geheimen Notiz: „Die Verbreitung von Flugblättern und Flugschriften politischen Inhalts in der Bevölkerung nimmt an verschiedenen Stellen des Staatsgebietes in unerwünschter Weise zu. Vor allem werden sowohl der evangelische Kirchenkampf als auch die Auseinandersetzungen zwischen Staats- und Parteistellen und der Katholischen Kirche in zunehmendem Masse in Form einer Flugblattpolemik ausgefochten, die fortdauernd Unruhe in die Bevölkerung bringt und den ruhigen Aufbau des Staates hemmt. Zukünftig wird daher eine Verbreitung von Flugblättern und Flugschriften polizeilich nicht mehr geduldet.“[3]

Ab 1937 ist ein zunehmendes Desinteresse Hitlers an der Kirchenpolitik zu erkennen. Trotzdem wurden viele Mitglieder der Bekennenden Kirche durch Suspendierungen, Ausweisungen, Redeverbote und Verhaftungen politisch verfolgt. Amtsenthebungen von Pfarrern der „Bekennenden Kirche“ und Theologieprofessoren, Verfolgung und Inhaftierung von Pastoren und Laien, Publizierungsverbot u.a. waren die Folge. Ihre Haltung wurde vom nationalsozialistischen Regime als politische Reaktion gedeutet, sie hielt aber trotz massiver Drohungen den Widerstand aufrecht und wuchs über die Bedeutung einer rein kirchlichen Bewegung hinaus.

[1] Wilhelm Niemöller, Kampf und Zeugnis; Seite 50ff

[2] Wolfgang Scherffig; Junge Theologen im Dritten Reich, Band I, Seite 33ff; eigene Internet-Recherchen

[3] in Archiv der ev. Kirche von Westfalen, Bielefeld; RW 58 31701 Band I, Humburg; Pressepolizeiliche Behandlung von Flugblättern und Flugschriften



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