Wie lange dauert ein Krieg eigentlich wirklich?


Wer waren Luftwaffenhelfer?

Im Februar 1943 wurden die ersten Schüler des Jahrgangs 1926 zur Luftwaffe einberufen. Es folgten bis Kriegsende noch die Jahrgänge 1927 und 1928. Sie dienten als vollwertiger Ersatz an Flakgeschützen und Funkmeßgeräten für an die Fronten kommandierten Luftwaffensoldaten.

Luftwaffenhelfer (LwH) waren die ersten Kindersoldaten moderner Kriege

Je länger der Krieg dauerte, umso verlustreicher er wurde, desto restriktiver und hemmungsloser wurden die Rekrutierungs- maßnahmen der Wehrmacht. Heimat und rückwärtige Heeresgebiete wurden nach frontfähigen Soldaten ausgekämmt. Insbesondere die Luftwaffe wurde nach frontverwendungsfähigen Soldaten systematisch durchsiebt. Dabei wurden an die Luftverteidigung über dem Reichsgebiet immer größerer Ansprüche gestellt. Auf der einen Seite lief die Produktion von Flakgeschützen auf Hochtouren, auf der anderen Seite mußte fehlendes Personal für die Flakbatterien rekrutiert werden. Nachdem die Luftwaffe und die Parteiführung verschiedene Ideen für die Nachrekrutierung verfolgt hatten und zu keinem befriedigenden Ergebnis gekommen waren, schlug Hitler im September 1942 die Bildung einer „Flakmiliz“ aus Jugendlichen vor. Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad und der damit verbundene Verlust an Soldaten, beschleunigte Anfang 1943 die Umsetzung.

„Ihr Grossvater ist mir zum ersten Mal in Bayreuth-Laineck im Frühjahr 1944 begegnet. Nach meiner Erinnerung war er Geschützführer. Im Unteroffizierskorps war er eine Ausnahmeerscheinung und unterschied sich wohltuend von seinen Kollegen, die mehrheitlich meinten, sie müssten die ihnen gegebene Macht an den Gymnasiasten demonstrieren. Uns Jugendlichen gegenüber war ihr Grossvater verständnisvoll, wohlwollend und gütig. Man hat gespürt, dass er nicht Hitler sondern einem anderen dient. Dies hat auf uns positiv gewirkt, hat es uns doch gezeigt, dass es in unserem Land auch Menschen gibt, die nicht hinter der Hakenkreuzfahne herlaufen.“

(ein ehemaliger LwH aus Bayreuth)

Die Schicksale der Luftwaffenhelfer sind in der Literatur bisher bei weitem nicht so intensiv behandelt worden, wie andere militärische Entwicklungen und Personengruppen des Zweiten Weltkriegs. Die großen Panzerschlachten an der Ostfront, Landung in der Normandie, der Luftkrieg über Deutschland, der 20. Juli, Stalingrad, Berlin etc.. Alles ist in den letzten Jahrzehnten hinreichend dokumentiert worden. Die ersten Veröffentlichungen zu den Luftwaffenhelfern stammten von Anfang der 70iger Jahre des vorherigen Jahrhunderts (Ludwig Schütz – „Schülersoldaten“). Die Hauptwerke zu dem Thema haben aber keine breiten Auflagen erfahren. Meilensteine sind sicher die nach jahrzehntelanger akribischer Arbeit entstandenen Bücher von Hans Dietrich Nicolaisen, wobei sein zweibändiges Werk „Gruppenfeuer und Salventakt“ nur für an umfangreichen Details interessierten Lesern zu empfehlen ist. Einige Dokumentationen, wie z.B. „Die Feuerglocke“[1] von Dülk und Fickentscher und Leopold Banny’s „Dröhender Himmel, brennendes Land“[2] beleuchten sehr umfangreich und detailliert bestimmte Regionen, Flakbatterien oder Schulklassen. Zusätzlich gibt es einige Ausarbeitungen, die teilweise im Selbstverlag erschienen sind oder die für Schuljubiläen von ehemaligen Schülern verfaßt wurden und die sich mit der Geschichte der Jahrgänge 1926 bis 1928 dieser jeweiligen Schulen auseinandersetzt. So z.B. Peter Schunck – „Davongekommen!“, „Mit 15 an die Kanonen“[3] von Paul Edmunds, sowie „Jugend im Krieg“[4] von Ludger Tewes oder Xaver Dotzer’s: „Die Dokumentation und Erlebnisse Eichstätter Schüler der Geburtsjahrgänge 1926 – 1928 als Luftwaffenhelfer im 2. Weltkrieg“. Nicht zu vergessen, das während meiner Recherchen herausgekommene Buch im Selbstverlag „Luftwaffenhelfer –zwischen Schule, Luftkrieg und HJ“[5] von Dr. Werner Frank.

[1] Untertitel: Luftwaffenhelferschicksale – Schülersoldaten aus Würzburg und Kitzingen beim Einsatz in Leuna und Brüx und vor allem in Schweinfurt

[2] Untertitel: Der Einsatz der Luftwaffenhelfer in Östereich 1943- 1945

[3] Untertitel: Eine Fallstudie über das Schicksal der als Luftwaffenhelfer eingesetzten Oberschüler in den Sperrfeuerbatterien (Flakabteilung 514) rund um Aachen während der anglo-amerikanischen Luftoffensiven der Jahre 1943/44

[4] Untertitel: Von Luftwaffenhelfern und Soldaten 1939 bis 1945

[5] Untertitel:Schüler der Aufbauschule Schwabach als Luftwaffenhelfer in der Schweren Flakbatterie 5./634 in Nürnberg-Schniegling vom Februar 1943 bis August 1944

Flakhelfer mit Flaksoldaten am 8.8cm Geschütz

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Abschließend gibt es eine Reihe bekannter Persönlichkeiten, die selber als Flakhelfer eingesetzt waren und die sich entweder in ihren Biografien oder in ihren literarischen Werken mit dem Erlebten beschäftigen. Genannt seien hier exemplarisch der Literaturnobelpreisträger Günter Grass, Papst Benedikt der XVI (ehemals Kardinal Ratzinger), der Kabaretist Dieter Hildebrandt oder der ehemalige Medienmogul Leo Kirch, Hans Dietrich Genscher, Erhard Eppler, Martin Walser, Horst Ehmke, Peter Boenisch und andere. Die zwischen 1926 und 1928 geborenen werden oft als die letzten Helden des Führers bezeichnet. Ich kann dies nicht bestätigen, mit den vielen Zeitzeugen mit denen ich gesprochen habe, haben als Jugendliche erlebt wie Deutschland zusammenbrach und der Faschismus besiegt wurde. Dies war für ihr späteres Leben bezeichnend und hat eine tiefe Nachdenklichkeit über die Jugend hinterlassen. Später haben viele gesellschaftliche Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Kultur erlangt.

8.8 cm Geschütz mit LwH in Nürnberg Thon 1943

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Ich persönlich habe in den Jahren 2004 bis 2009 etwa 100 ehemalige Luftwaffenhelder ausfindig gemacht, die in Flakbatterien meines Großvaters gedient haben. Daraus haben sich zum Teil sehr enge Gespräche entwickelt. Die wesentlichen Interviews habe ich für mein Manuskript verarbeitet.



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