Wie lange dauert ein Krieg eigentlich wirklich?


Interviews mit Zeitzeugen

Viele ehemalige Luftwaffenhelfer haben mir ihre persönliche Geschichte bereitwillig erzählt. Zum Teil kamen noch Briefe, Fotos und Tagebücher zum Vorschein. Ein echter Schatz der "Oral History" für mein Projekt.

``Wir wollte unsere Heimat beschützen``

Nachfolgend finden Sie einige Zitate von Luftwaffenhelfern aus meinen Interviews und aus der Literatur

“Am 6.1.1944 wurden wir in der damaligen 6. Klasse (heute 10. Klasse) zur Flakartillerie eingezogen. Für mich, der aus einem gut katholischen Elternhaus stammte, wo wir wohlbehütet und gleichwohl weltoffen aufwuchsen, war die Einberufung  der erste Teil der Emanzipation von den Eltern und der Familie. Die Einberufung empfand ich – wie nahezu all meine Schul- und Kriegskameraden – in gewissem Sinn als ein Abenteuer: Wir fühlten uns jetzt nahezu als Erwachsene, zumal unser Dienst an den Kanonen und Meßgeräten völlig gleich war mit dem Dienst der erwachsenen Soldaten. Wir fuhren vom Hauptbahnhof bis zum Bahnhof Bergrheinfeld. Dort erwartete uns ein nach meiner Erinnerung damals vielleicht ein 38 – 40 jähriger Unteroffizier. Wir luden unsere Pappköfferchen und Kartons mit unseren wenigen Habseligkeiten auf ein bereitstehendes Pferdefuhrwerk und marschierten mit dem Unteroffizier, der fortan unser Betreuer sein sollte, nach Ettleben.“

Ein LwH aus Würzburg; Einsatz in Geschützstaffel und bis Februar 1945 als K2 (Seitenrichtkanonier) tätig. u.a. in Brüx

„Die NS-Emblematik ließen wir mit dem Einzug in die Flakstellung hinter uns. Die nur zum Ausgehanzug gehördende Hakenkreuzbinde entfernten wir. Wir wollten Soldaten sein und verstanden unsere Rolle nicht als Fortsetzung des HJ-Dienstes. Die Entpolitisierung wurde durch Vorgesetzte und Mannschaften unterstützt. Die Offiziere hatten Fronterfahrung, waren teilweise schwer verwundet worden. Die Mannschaften waren meist ältere Leute und hatten den Krieg an vielen Fronten erlebt. Zu ideologischen Klimmzügen neigte niemand.“

(Martin Greiffenhagen; Aus einem unruhigen Leben; Seite 51)

Ehemalige LwH - Nürnberg 6./634

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„Meine Einstellung zum Nationalsozialismus war kritisch. Ein sehr wichtiger Beitrag hierzu war die Relegation eines Mitschülers von der Oberschule Teplitz-Schönau. Zum Abschluss des Schuljahres 1942/43 und der Verteilung der Zeugnisse hat unser Klassenlehrer mit bewegter Stimme den Schüler Eisner verabschiedet und ihm viel Glück für sein weiteres Leben gewünscht. Wir haben ihn danach vor der Schule nach dem Grund für seinen Rausschmiss gefragt. Er antwortete, dass sein Vater Jude sei. Er durfte die 4 Klassen Oberschule nur besuchen, weil sein jüdischer Vater als Offizier im Ersten Weltkrieg in einer k.u.k. Einheit gekämpft hatte und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde.“

(Ein LwH aus Teplitz-Schönau; Einsatz bei der Heimatflak in Brüx)

“Die HJ versuchte ihren Einfluß auch in der Batterie aufrechtzuerhalten, so kamen beispielsweise HJ-Führer in die Stellungen, um Heimatabende und Sportveranstaltungen abzuhalten. Sie stießen bei den Luftwaffenhelfern ganz generell auf strikte Ablehnung. Wir wollten Soldaten sein und keine Helfer. (…) Die uns besuchenden HJ-Führer wurden massiv verspottet und aufgefordert, die Batterie zu verlassen. In einigen Batterien wurden sie in die Löschwasserteiche geworfen. Die Batteriechefs mischten sich nicht in das Geschehen ein und glänzten bei solchen Aktionen mit Abwesenheit. Der Widerstand wurde so massiv, daß die Besuche durch Angehörige der HJ eingestellt wurden. Das blieb aber nicht ohne Folgen.“

(Ein LwH aus Nürnberg, Einsatz bei 5./522)

„In der Freizeit war es üblich, mitgebrachte Schallplatten der Vorkriegszeit mit amerikanischem Jazz und Swing auf einem alten Grammophon abzuspielen (u.a. der Tiger-Rag: Where the tigers….). Herbert Markert besaß sogar ein altes Kristall-Detektor Radio der frühen zwanziger Jahre mit Kopfhörer. Neben Tischtennis und Schach wurde auch Karten gespielt. Vorwiegend Skat und Schafskopf. (…) Die Errichtung einer Spielbank mit einem Roulette, das ein Luftwaffenhelfer von daheim mitgebracht hatte, scheiterte allerdings schon nach wenigen Tagen an der Zahlungsunfähigkeit der Beteiligten.

(Dr.. Walter Frank; Luftwaffenhelfer – Zwischen Schule, Luftkrieg und HJ – Schüler der Aufbauschule Schwabach als LwH in der 5./634; Seite 47)

Ehemalige LwH - Brüx Batterien 232 und 235

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Wir sahen in der Nacht ein riesiges Flammenmeer, aber wir dachten es wäre die Innenstadt. Erst am nächsten Tag erfuhren wir, dass Steglitz eine Brandwüste ist. Wir durften aber nicht weg. Fritz Egel, der im Stab bei der Luftwaffe war, hat meinen Eltern geholfen, den Keller auszuräumen und die letzten Sachen auf einen Leiterwagen zu legen. Für meinen Vater war es sehr anstrengend wegen seiner Lunge. Von Steglitz zogen meine Eltern (Anny und Henry Oswalt) nach Dahlem.“

(Wolfgang Oswalt als LwH am Loewe-Werk in Berlin an einem leichten Flakgeschütz. Angriff vom November 1943)

„Der Bombenteppich kam gerade auf unsere Stellung zu. Uns hat es regelrecht ausgehoben. Stabswachtmeister Köhler fuchtelte mit einer Stange in der Luft rum, mit der normalerweise Rohrklemmer beseitigt wurden. Ich selber ging zu Boden, über mir lag ein anderer LwH mit Namen Weiss. Als der Angriff vorbei war, hörte ich nur sein Stöhnen. Ein großer Lehmbrocken war ihm in den Rücken geflogen. Er hatte eine Nierenquetschung und wurde später entlassen. Köhler war tot, er hatte einen Splitter im Kopf. Bei seinem Begräbnis dachte ich mir nur, dass der liebe Gott ihn so hätte auch nicht strafen müssen

(Ein LwH der 232/IV in Brüx zum Angriff vom 16. Dezember 1944)



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