Wie lange dauert ein Krieg eigentlich wirklich?


Untergrund in Wuppertal und Berlin 1939/40

Am Ende fehlten Richard Göbel vermutlich nur drei Wochen um sein 1. Theologischen Examen in Wuppertal noch zu machen. Die Einberufung zur Wehrmacht brachte zwar einerseits Schutz vor staatlicher Verfolgung, beendete aber andererseits seine Ausbildung zum Pfarrer. Ende 1944, als sich das Kriegsende abzeichnete, sollte Richard wieder Kontakt zu seinen Dozenten in Berlin und Wuppertal aufnehmen. Er hoffte auf ein gutes Ende für sich und seine Familie, geleitet von der Hoffnung nach dem Frieden als Pfarrer tätig werden zu können.

Zwischen Gestapo, Berlin, Wuppertal und 1. Theologischen Examen

Im August 1939, also vier Wochen nachdem er Marburg verlassen hatte, meldete sich Richard Göbel aus Berlin brieflich bei seinem Vater. Über nähere Umstände machte er nur Andeutungen, es war ihm sicher klar, dass er unter Beobachtung der Gestapo stand. Offiziell gab er an, dass er sich als Hauslehrer bei Berliner Familien engagieren wollte. Zunächst bezog er bei einer Familie Valentin in der Friedrichstr. 4 in Berlin-Lichterfelde Quartier. Seinem Vater schrieb er, dass er von dort nicht weit nach Dahlem habe.

1931 hatte in Dahlem Pfarrer Niemöller seine Pfarrstelle in der St. Annen Pfarrei angetreten. Der ehemalige U-Boot Kommandant des Ersten Weltkriegs, wurde eine der herausragenden Persönlichkeiten des Kirchenkampfes in Deutschland. Im Juli 1937 wurde er verhaftet und nach achtmonatiger Haft in Berlin-Moabit ins Konzentrationlager Sachsenhausen verschleppt. Von 1941 bis Kriegsende war er im KZ Dachau inhaftiert. Nachfolger Niemöllers in der Gemeinde St. Annen wurde Helmut Gollwitzer. Gollwitzer war einer der prominentesten Schüler Karl Barths und federführend an der (illegalen) Ausbildung junger Theologen beteiligt. Nach der Reichskristallnacht vom 9. November 1938 verhalf Gollwitzer jüdischen Mitbürgern zur Flucht in Ausland.

Bereits im September 1933 war in Dahlem der Pfarrernotbund unter Niemöllers Führung gegründet worden. Der Pfarrernotbund unterstützte bekenntnistreue Pastoren und deren Familien finanziell und seelsorgerisch.

Im November 1939 meldete sich Richard aus Berlin Steglitz, wo er bei Henry und Anny Oswalt in der Johanna Stegen Str. wohnte und dem Sohn Hermann Nachhilfeunterricht gab. Lotti Oswalt (1923 – 2009) wurde von Niemöller konfirmiert, ihr jüngerer Bruder Hermann von Gollwitzer.

Im Januar 1940 besuchten Gestapo Beamte die Familie Oswalt, um sich nach Richard zu erkundigen und ob er „Studien“ betreibe und „verbotene BK Kurse“ besuche.

„Ihr Großvater war immer nur ein paar Wochen bei uns. Erst nach dem Krieg wußte ich warum. Die Gestapo war gut informiert. Es war ja grundsätzlich nicht verboten Studenten als Untermieter aufzunehmen, aber der Bezug zur BK war gefährlich. Eines Tages standen zwei Gestapo-Beamte in Zivil vor unserer Tür. Sie fragten meine Schwester Lotti, ob ein Richard Göbel hier wohnen würde. Sie verneinte. Sie hat vor Angst geschlottert. Richard hat immer in meinem Zimmer gewohnt, wenn er bei uns untergekommen ist. Ich mußte dann zu meinem Bruder Hermann ins Zimmer.“

(Wolfgang Oswalt im Zeitzeugeninterview 2005)

Johanna Stegen Strasse/Berlin

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Im Januar 1940 hatte die Gestapo ein recht klares Bild von Richards Lage und beschrieb seine vermutlichen Aufenthalte in Berlin mit „Besuchen von illegalen BK-Kursen.“

Anfang Februar riet Martin Albertz, zuständig für das Prüfungswesen der BK, Richard für sein Examen ins Rheinland oder nach Westfalen zurück zu gehen. Am 26. Februar wurde Richard Göbel im Gestapo Hauptamt in der Prinz Georg Str. 98 über seine Tätigkeiten in Berlin vernommen. Daraus geht hervor, dass er bei Oswalts in Berlin-Steglitz (Johanna Stegen Str.) wohnte und den Söhnen einer Familie Ebbecke in Lichterfelde-West ebenfalls Nachhilfe gab. Die Söhne hiessen Dieter und York und konnten im Rahmen meiner Recherchen nicht gefunden werden. Richard gab ferner an, regelmäßig das Friedrich Werdersche Gemeindehaus am Alexanderplatz aufzusuchen und Gottesdienste in Dahlem zu besuchen. Ferner gab er an, in Münster am Konsistorium das Examen abzulegen, da er bisher keine offizielle Bestätigung seiner Relegation von der Uni Marburg erhalten habe.

Richard hatte in Berlin Kontakte zu Edo Osterloh, Dr. Wilhelm Jannasch und Martin Albertz.

Friedrich Werdersche Kirche Berlin, erbaut von Schinkel

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Richard kann nur noch max. 14 Tage in Wuppertal-Barmen gewesen sein. Aus späteren Briefen von ihm, hat er versucht, kurzfristig sein 1. Theologischen Examen zu machen. In Wuppertal wandte Richard sich dafür an D. Hesse, Pastor Schlingensiepen und Pfarrer lic. van Randenborgh, die ihm die Zulassung wohl zugesagt haben. Vorlesungen der Kirchlichen Hochschule Wuppertal fanden nur noch in Privatwohnungen statt. Am 5. April 1940 fand wohl eine Prüfung zum 1. Theologischen Examen statt. Richard konnte daran nicht mehr teilnehmen.

Am 8. März 1940 meldete die Gestapo Oberhausen, dass Richard nicht mehr zurückgekehrt sei, weil Einzug zur Wehrmacht erfolgt sei.



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